Leitfaden Selbsthilfegruppe
In diesem Leitfaden finden Sie Anregungen und Tipps, die Ihnen den Start erleichtern können.
1. Was kann eine Selbsthilfegruppe tun?
Eine Heilung der Erkrankung ist durch die Selbsthilfegruppe sicher nicht möglich. Unterstützung und Verständnis helfen aber, den Umgang und das Leben mit ihr zu erleichtern. Durch Gespräche und Erfahrungsaustausch sammelt sich in Ihrer Selbsthilfegruppe eine Menge Wissen an, das für die „Hilfe zur Selbsthilfe“ genutzt werden kann.
Die erste Aufgabe der Gruppe ist es, eine vertrauensvolle Atmosphäre aufzubauen, in der gewinnbringende Gespräche möglich sind. Was die Selbsthilfegruppe darüber hinaus an Aktivitäten durchführen möchte, entscheidet jede Gruppe selbst. Doch Achtung: Überfordern Sie sich nicht gleich, setzen Sie sich erreichbare Ziele, und gehen Sie Schritt für Schritt vor.
Sie können:
- Tipps und Informationen sammeln und so einen Wissenspool für sich schaffen oder sogar eine Informationsbroschüre erstellen.
- bei Ihrer Krankenkasse fragen, ob für die Gruppe beispielsweise ein Ernährungsseminar oder ein Entspannungskurs angeboten werden kann.
- Arzt-Patienten-Seminare veranstalten, um Erfahrungen auszutauschen.
- eine Vortragsreihe organisieren.
- gemeinsame Unternehmungen planen, wie zum Beispiel ein Fest oder einen Ausflug.
- die Öffentlichkeit auf Probleme oder die Gruppe aufmerksam machen: z.B. durch Infostände, Ausstellungen oder Vorträge bei Gesundheitstagen.
Je nachdem, was die Gruppe plant, gibt es eine Reihe von Dingen zu erledigen. Am besten verteilen Sie die anfallenden Arbeiten auf möglichst viele Mitglieder.
Denn sonst besteht die Gefahr:
- daß eine Person unter der Last der Arbeit zusammenbricht.
- die Abhängigkeit der Gruppe von Einzelnen zu groß wird.
Wenn Sie sich mit den verschiedenen Aufgaben abwechseln, hat jeder die Möglichkeit, seine Fähigkeiten in unterschiedlichen Bereichen auszuprobieren. Übrigens: Gemeinsames Arbeiten stärkt das Gruppengefühl, denn zusammen sind Sie stark.
2. Der Anfang
Wenn Sie sich zum Aufbau einer Selbsthilfegruppe entschlossen haben, besteht der erste Schritt darin, weitere Interessenten zu suchen. Meistens wohnen in der näheren Umgebung genügend Menschen, die sich gerne mit Gleichgesinnten austauschen würden.
Um Mitstreiter zu finden, können Sie zum Beispiel:
- in Ihrem weiteren Bekanntenkreis nach anderen Betroffenen fragen,
- Ärzte, Apotheker, Krankenkassenvertreter (sozialer Dienst) oder andere Experten informieren, daß Sie Interessierte für eine Selbsthilfegruppe suchen,
- Zettel in der Bücherei, in Arztpraxen, Apotheken, Krankenkassen, Gesund- heitsämtern, Volkshochschulen, in Geschäften oder im Gemeindehaus aushängen,
- eine Anzeige in Ihrer Lokalzeitung aufgeben oder einen kleinen Artikel veröffentlichen lassen.
3. Der Raum
Erste Interessenten haben sich gefunden und ein Gruppentreffen steht an. Doch wo soll es stattfinden? Sie müssen sich nach einem Raum umschauen. Berücksichtigen Sie bei der Suche, daß der Raum möglichst neutral sein sollte und eine angenehme Atmosphäre vermittelt. Findet sich so schnell nichts Geeignetes, können erste Gruppentreffen auch in einer Privatwohnung stattfinden. Diese Möglichkeit sollte jedoch keine Dauerlösung sein.
Beachten Sie bei der Raumauswahl ob:
- der Raum die richtige Größe hat, ca. 20 – 30 m2 reichen schon aus.
- der Raum einigermaßen ruhig ist.
- der Raum leicht zu finden und von allen Mitgliedern gut zu erreichen ist.
- die Einrichtung für Gruppentreffen geeignet ist; beispielsweise genügend Stühle vorhanden sind.
- der Raum im Anschluß von anderen Gruppen genutzt wird (lassen Sie möglichst keinen Zeitdruck entstehen).
Erkundigen Sie sich, ob Ihnen ein Raum zur Verfügung gestellt werden kann. Bei:
- Krankenkassen
- Gesundheits- und Sozialämtern
- Volkshochschulen
- Krankenhäusern
- Arztpraxen
- Gemeindeverwaltungen oder der Kirche
Manchmal können Ihnen auch örtliche Kontaktstellen für Selbsthilfegruppen (über die Stadverwaltung erreichbar) bei der Suche nach einem Raum behilflich sein.
4. Die Gruppengröße
Bei einer Größe von ungefähr 10 bis 15 Personen ist ein Gruppengespräch gut möglich. Übersteigt die Teilnehmerzahl diese Grenze, kann es leicht unübersichtlich und unpersönlich werden. Mitglieder, die nicht in den Gruppenprozeß einbezogen werden, verlieren schnell das Interesse. Bedenken Sie jedoch, daß in der Anfangszeit einige wieder abspringen werden. Die Gruppenzahl darf zunächst ruhig etwas größer sein.
5. Die Gruppentreffen
Bei den ersten Zusammenkünften ist es wichtig, daß die Gruppe zunächst festlegt, was sie tun möchte. Reden Sie gemeinsam über ihre Motive, Wünsche, Erwartungen sowie über Ängste und Befürchtungen. Dieser Weg ist für die Gruppe wichtig, um herauszufinden, welche Ziele sie verfolgen will. Gleichzeitig bietet er den Teilnehmern eine gute Gelegenheit, sich kennenzulernen. So entsteht eine vertrauensvolle Atmosphäre, die Voraussetzung für eine gute Gruppenarbeit ist.
Klären Sie weiterhin:
- Wie oft soll sich die Gruppe treffen?
- Wer soll mitmachen: Betroffene, Angehörige oder beide?
- Wann soll sich die Gruppe treffen: Tag und Uhrzeit festlegen!
Es ist sinnvoll, die Anfangs- und Endzeiten der Sitzungen zu bestimmen und nach Möglichkeit auch einzuhalten. Die meisten Gruppen treffen sich einmal pro Woche für zwei bis drei Stunden, manche aber auch nur ein- oder zweimal im Monat.
6. Tipps für den Verlauf einer Gruppensitzung
Ihre Gruppe hat sich zusammengefunden, und nun kann es losgehen. Bevor Sie jedoch beginnen, klären Sie noch zwei Gruppenregeln (nach Ruth Cohn), die für ein fruchtbares Zusammenwirken wichtig sind. Denn die Kommunikation und das Arbeiten in der Gruppe hat durchaus Tücken.
Regel Nummer eins: „Sei Dein eigener Vorsitzender.“ Das bedeutet, jeder entscheidet selbst, was er zu sagen und zu tun bereit ist.
Regel Nummer zwei: „Störungen haben Vorrang.“ Denn sie behindern die Gruppenarbeit. Treten Unklarheiten auf, sprechen Sie diese sofort an.
Tipps:
- Stellen Sie die Stühle im Kreis auf. So können die Teilnehmer untereinander Blickkontakt halten, und das Gruppengespräch wird erleichtert.
- Beginnen Sie das Treffen mit einem „Blitzlicht“. Jeder sagt, wie es ihm in der letzten Woche ergangen ist, was ihn bewegt. Gab es Erfolge oder Niederlagen? Oder andere Dinge, die Ihnen in diesem Moment einfallen.
- Mit einem kurzen Rückblick kann gut an den letzten Gruppenabend angeknüpft werden.
- Sammeln Sie Besprechungspunkte für den Abend und gehen Sie diese Punkt für Punkt durch.
- Legen Sie am Ende einer Sitzung möglichst fest, was beim nächsten Treffen passieren soll.
- Manchmal kann es nötig sein, Ergebnisse schriftlich festzuhalten.
- Wenn das Gruppengespräch zu unübersichtlich wird oder eine hitzige Diskussion im Gange ist, kann es nützlich sein, einen Gesprächsleiter zu wählen.
Wichtig: Alles was in der Gruppe passiert, ist vertraulich. Es darf nur nach gemeinsamer Absprache an die Öffentlichkeit gelangen.
Beachten Sie auch, dass die Teilnehmer der Selbsthilfegruppe einander gleichgestellt sind. Anstehende Entscheidungen treffen die Mitglieder gemeinsam. Eine Gruppenleitung ist nach längerem Bestehen der Selbsthilfegruppe oft überflüssig.
7. Wie soll sich die Selbsthilfegruppe finanzieren?
Krankenkassen und ihre Verbände fördern Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen, sofern sie die in diesen Grundsätzen beschriebenen Voraussetzungen erfüllen. Inhalte der kassenübergreifenden Gemeinschaftsförderung (Pauschalförderung) und der krankenkassenindividuellen Förderung (Projektförderung) für regionale Selbsthilfegruppen
Pauschalförderung:
- Die Pauschalförderung wird als finanzielle Unterstützung der originären selbsthilfebezogenen Aufgaben verstanden. Diese pauschalen Mittel werden der Selbsthilfe als Zuschüsse zur Absicherung ihrer originären und vielfältigen Selbsthilfearbeit und regelmäßig wiederkehrenden Aufwendungen zur Verfügung gestellt. Darunter fallen insbesondere Aufwendungen für:
- Raumkosten, Miete
- Büroausstattung und Sachkosten (z.B. PC, Drucker, Büromöbel, Porto u.Telefon, Gebühren für Online- Dienste)
- Pflege des Internetauftrittes/Homepage,
- Regelmäßig erscheinende Verbandsmedien (z.B. Mitgliederzeitschriften, Flyer ) einschließlich deren Verteilung
- Schulungen oder Fortbildungen, die auf die Befähigung zur Organisations- und Verbandsarbeit sowie auf administrative Tätigkeiten abzielen ( z.B. kaufmännische Weiterbildung, Weiterbildung zum Vereinsrecht, PC-Schulung, Rhetorik ), einschließlich Veranstaltungs-, Teilnahmegebühren, Fahrt- u. Übernachtungskosten,
- Durchführung von Gremiensitzungen gemäß Satzung (z.B. Vorstandssitzungen, Mitglieder/Jahresversammlungen, Delegiertenversammlungen, Sitzungen des wissenschaftlichen Beirats u. Sitzungen verbandsinterner Arbeitsgruppen), einschließlich Veranstaltungs-, Teilnahmegebühren, Fahrt- u. Übernachtungskosten.
Projektförderung:
Die jeweiligen Krankenkassen-/verbände gestalten die krankenkassenindividuelle Förderung inhaltlich und strukturell in eigener Verantwortung. Daher wird empfohlen, Anträge auf Projektförderung bei jeder Krankenkasse zu stellen oder sich vorab zu erkundigen, ob auch eine Exclusivförderung bei nur einer Krankenkasse möglich ist. Darüber hinaus gibt es in manchen Regionen besondere Absprachen und Regelungen. Hier werden Projektförderanträge von einer Stelle für alle Krankenkassen, die Projekte auf regionaler Ebene fördern, entgegen genommen. Nähere Informationen erhalten Antragsteller bei der federführenden Krankenkasse oder bei der örtlichen Selbsthilfe-Kontaktstelle/-Büro. In Abgrenzung zur Gemeinschafts-(Pauschal-)förderung sind Projekte gezielte und zeitlich begrenzte Vorhaben. Dabei handelt es sich um Aktivitäten, die über das Maß der täglichen Selbsthilfearbeit hinausgehen. Anträge auf Projektförderung können im Laufe des Förderjahres gestellt werden.
Beispiele:
Planung und Durchführung von Veranstaltungen wie Tag der offenen Tür, gesundheitsbezogene Vorträge und Seminare, Beteiligung an Selbsthilfe-Tagen, Funktionsträgerfortbildungen zum jeweiligen Krankheitsbild, Öffentlichkeitsarbeit für Projekte, unregelmäßig erscheinende Informationsmedien
Ausgeschlossen von einer Förderung sind Freizeitaktivitäten wie z.B. Ausflüge, kulturelle Veranstaltungen, Urlaubsreisen.
Weitere Infos zur Förderung und Fördervoraussetzungen:
https://www.nakos.de/informationen/foerderung/
https://www.vdek.com/vertragspartner/Selbsthilfe/foerderung_land.html
Ansprechpartner
Anforderungskatalog
8. Wozu Öffentlichkeitsarbeit?
Auch wenn sich der Großteil der Arbeit innerhalb der Gruppe abspielt, ist es manchmal von Vorteil, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, z. B. wenn Sie
- auf der Suche nach neuen Mitgliedern sind,
- eine Versammlung ankündigen wollen
- die Öffentlichkeit informieren wollen,
- zu Spenden und Zuschüssen aufrufen möchten.
Es gibt verschiedene Wege, sich an die Öffentlichkeit zu wenden:
- Schlagen Sie Ihrer Lokalzeitung vor, einen Artikel über die Gruppe zu veröf- fentlichen. Am besten erkundigen Sie sich bei der Zeitungsredaktion nach dem zuständigen Redakteur und vereinbaren einen Termin.
- Vor dem Treffen, sollte die Gruppe sich überlegen, worüber sie mit dem Redakteur reden und was sie erreichen will. Nehmen Sie den Termin ruhig zu zweit oder dritt wahr.
- Wenn Aktionen oder Veranstaltungen durchgeführt werden, schicken Sie der Lokalredaktion vorher eine Mitteilung, und bitten Sie erstens um eine Vorankündigung und zweitens um Berichterstattung über die Veranstal- tung.
- Versorgen Sie die Redaktion nach Bedarf mit Informationsmaterial, wie z.B. Mitgliederrundbriefe, Broschüren, Veranstaltungskalender.
- Erkundigen Sie sich bei regionalen Hörfunksendern, ob Interesse besteht, über ihre Gruppe zu berichten. Hier gilt wie für die Zeitung: Beraten Sie vorher gemeinsam, was bei dem Termin zur Sprache kommen soll.
- Plakate sind eine weitere Möglichkeit, Veranstaltungen oder Treffen der Gruppe anzukündigen. Sie können in Bibliotheken, Geschäften, Arztpraxen, Ämtern, Kindergärten und anderen öffentlichen Gebäuden fragen, ob Sie Ihr Plakat aushängen dürfen.
- Bauen Sie einen Informationsstand, beispielsweise in der Fußgängerzone auf, und verteilen Sie Flugblätter an interessierte Passanten Erkundigen Sie sich vorher bei der Stadt, ob Sie dafür eine Genehmigung benötigen. Ein Stadtfest oder Veranstaltungen von anderen Gruppen eignen sich ebenfalls für einen Infostand.
- Die Aufnahme in verschiedene Verzeichnisse, z.B. Telefonbuch oder Adreßbuch, kann den Bekanntheitsgrad der Gruppe erhöhen.
- Informieren Sie Freunde und Bekannte über die Arbeit der Gruppe. Gerade neue Mitglieder lassen sich vor allem durch Mund-zu-Mund Propaganda gewinnen.
9. Wann ist Hilfe von außen sinnvoll und wer kann diese Hilfe geben?
Gerade in der Anfangsphase einer Selbsthilfegruppe, in der die Gruppenmitglieder noch unsicher sind, kann Hilfe von außen unterstützend wirken und ermutigend sein. Auch wenn die Gruppe schon eine längere Zeit erfolgreich arbeitet, können gelegentlich Schwierigkeiten auftreten. In solchen Fällen leisten eine Reihe von Einrichtungen und Organisationen Hilfe:
- Lokale Selbsthilfegruppen-Kontaktstellen geben allgemeine Tipps, schaffen Kontakte zu anderen Gruppen in der Umgebung und helfen bei praktischen Problemen weiter, z.B. bei der Raumanmietung.
- Berufliche Helfer, wie Ärzte und Psychologen, beraten die Gruppe über ihre Arbeitsziele, geben organisatorische Ratschläge, vermitteln Referenten und helfen in Krisenzeiten weiter. Teilweise leisten sie auch praktische Hilfe, indem sie z.B. ein Faxgerät zur Verfügung stellen oder Informations- material der Gruppe auslegen.
- Auch die Schilddrüsen-Liga Deutschland e.V. in Bonn unterstützt Sie gerne bei der Gründung einer Schilddrüsen-Selbsthilfegruppe. Diese bundesweite Kontaktstelle stellt Ihnen Informationsmaterial zu Schilddrüsenkrankheiten zur Verfügung und gibt in regelmäßigen Abständen die Schilddrüsenzeitung „Blickpunkt Schilddrüse“ heraus. Über die Liga können Sie auch Adressen von Experten in Ihrer Umgebung und anderen bestehen- den Schilddrüsen-Selbsthilfegruppen bekommen.
Haben Sie Fragen zur Gründung?
Sprechen Sie uns gerne an.